Jesus der Christus

was historische Quellen zu berichten wissen: Fortsetzung II

Religiöse Zeugnisse über Jesus, den Christus

Über den historischen Jesus sind somit, zurzeit, nur folgende Aussagen möglich: *

 

Jesus war Jude. Er stammte aus Nazaret in Galiläa. Seine Geburt fällt wahrscheinlich in die letzten Jahre des Königs Herodes des Großen (37 – 4 vor Christus.), also etwa in die Jahre 8 – 4 vor Christus.Jesus wurde nach dem jüdischen Gesetz beschnitten und erhielt den damals nicht seltenen Namen „Jesus“ (hebräisch: Jeschua = „Jahwe ist Heil“).

 

Nach „Mk 6,3“ lernte er wohl den Beruf des Zimmermannes. (Sehr viel wahrscheinlicher ist es, das er ein Schriftgelehrter, ein Rabbi war und eine eigene, kabbalistische Mysterienschule unterhielt). Er ließ sich vom Bußprediger Johannes im Jordan taufen, dessen Auftreten nach „LK 3,1“ in das fünfzehnte Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius fällt (27/28 bzw. 28/29 nach Christus). Die Taufe durch Johannes zählt zu den historisch gesichertsten Ereignissen des Lebens Jesu, vor allem weil die frühe Kirche schon sehr bald Mühe hatte, diese Tatsache vor Missdeutungen zu bewahren (vgl. Mt 3,14; Joh. 1,19 – 28).

 

Mit ungefähr dreißig Jahren (vgl. LK 3,23) begann Jesus öffentlich aufzutreten und wirkte rund ein Jahr, hauptsächlich in Galiläa. Während das vierte Evangelium häufigere Besuche Jesu in Jerusalem voraussetzt, gehen die synoptischen Evangelien von einem Schwerpunkt des Wirkens Jesu in Galiläa aus, ehe sein Weg nach Jerusalem führt und dort in der Katastrophe endet. An einem Paschafest zwischen 28 und 33 nach Christus, wahrscheinlich am Rüsttag auf das Paschafest des Jahres 30, der auf einen Freitag fiel, wurde Jesus auf Betreiben einflussreicher jüdischer Kreise unter dem römischen Statthalter Pontius Pilatus (26 – 36 nach Christus) in Jerusalem am Kreuz hingerichtet.

 

Nach allen Evangelisten wurde Jesus an einem Freitag gekreuzigt (vgl. Mk 15,42; Mt 27,62; Lk 23,54; Joh. 19,31). Nach Darstellung der Synoptiker müssten Verurteilung und Hinrichtung Jesu an diesem Freitag auf den ersten Tag des Paschafestes, den 15. Nisan, gefallen sein; denn nach jüdischer Tagesordnung begann er mit dem Abend des Paschamahles und reichte bis zum Beginn des folgenden Abends. Gegen diese Datierung spricht, dass der Hohe Rat kaum am höchsten Feiertag des Jahres einen Kapitalprozess, die gerichtliche Verhandlung eines besonders schweren Verbrechens, vor dem römischen Prokurator angestrengt hätte. (Die Synoptiker entziehen sich diesem Anstoß, indem sie – griechischer statt jüdischer Tageszählung folgend – den ersten Tag des Paschafestes und des damit verbundenen Festes der ungesäuerten Brote mit dem Morgen vor dem Paschamahl beginnen lassen; vgl. Mk 14, 12ff par. Dadurch fallen für sie Prozess und Tod Jesu auf den nachfolgenden Tag.) Als zuverlässiger beurteilen daher heute viele Exegeten die Datierung des Johannesevangeliums, nach der Jesu Todestag gleichzeitig Rüsttag (= Vortag) von Sabbat und Paschafest war (vgl. Joh. 19,14; 31).

 

Ob einer dieser beiden zeitlichen Ansätze für die Passion Jesu historisch zutrifft, muss aber letztlich offenbleiben, weil hinter beiden eine theologische Aussageabsicht zu erkennen ist: Die Synoptiker erzählen von der Selbsthingabe Jesu an die Jünger im Paschamahl am Abend vor seinem Tod, um deutlich zu machen: Jesus gibt sich im Abendmahl seiner Jünger als das wahre Paschalamm zu essen. Das Johannes-evangelium bringt mit dem Tod Jesu am Nachmittag vor dem Paschamahl – an dem im Tempel die Paschalämmer geschlachtet werden – zum Ausdruck: Er ist das wahre Paschalamm, das Lamm Gottes, das für uns am Kreuz geschlachtet wird (vgl. LB 7/3.41.4).  

* Theologie im Fernkurs, Lehrbrief 8, Grundkurs, erste Auflage 1993