Jeschua ben Josef, der Nazarener

Fortsetzung IX

Die Karwoche

An jenem ersten Palmsonntag bat Jesus seine Jünger, ihm einen Esel zu besorgen, um auf ihm nach Jerusalem zu reiten. Sein Einzug in die Stadt bestätigte, dass seine Worte begeistert aufgenommen worden waren. Die Volksmenge, die ihn mit Palmzweigen willkommen hieß, versinnbildlichte, dass die Mission Christi Anerkennung gefunden hatte. Man würdigte Jesus aus zwei Gründen, einmal wegen seiner Werke und zum anderen wegen seiner Lehren. Seine Werke sind besonders hervorzuheben, da sie die Massen anzogen und überzeugten. Er erhärtete seine Worte durch Beispiele. Er veranschaulichte die Gültigkeit seiner Lehren, indem er sie anwendete und bestimmte Personen tatsächlich verwandelte.

 

Hinter den triumphalen Einzug in Jerusalem lag eine monumentale Vorbereitungszeit.

Jesus hatte viele Jahre und Leben damit verbracht, um die geistige Meisterschaft zu erreichen und die irdischen Mächte zu besiegen. Er erlangte die Christus – Würde, weil er während zahlreicher Inkarnationen bewusst und energisch dem Lichtgeist entgegengestrebt war. Kein olympischer Wettkämpfer hat sich jemals mit dem Einsatz und Eifer messen können, mit dem er sein Ziel verfolgte, sich uneingeschränkt mit dem Vater zu vereinen. Nicht Machtstreben oder Ehrgeiz motivierten ihn, der erste Sohn dieser Menschheit zu sein, der das Christus – Bewusstsein erlangte. Eine tiefe Ehrfurcht vor Gott und dem Erlangen der Vollkommenheit spornten ihn an. Stark und diszipliniert setzte er alles ein, um diese Ganzheit und Weisheit zu erlangen, welche die Vollkommenheit oder Einheit mit Gott verkörpern.

 

Auf seinem Weg zum Tempel begrüßte ihn die erregte Menge aufdringlich schmeichelnd. Er beachtete es nicht, denn er wusste genau, wann Lob und Ehre angebracht waren. Er war für alles bereit, was seine Aufgabe von ihm verlangte. Während vieler Zeitalter hatte er sich daran gewöhnt, den Willen höherer Wesen zu respektieren und sich ihm zu unterwerfen.

 

Seine erste bemerkenswerte Handlung in der Heiligen Stadt bestand darin, die unwürdigen Geldwechsler aus dem Tempel zu verjagen. An diesem Tage heilte er den Blinden und den Lahmen, die ihn im Tempel aufsuchten. An jedem Tag der heiligen Woche gab Jesus abschließende Unterweisungen, die seine Lehre zusammen-fassten. Am Montagmorgen verließ er Bethanien, wo er mit seinen Freunden übernachtet hatte, und kehrte nach Jerusalem zurück. Auf seinem Weg in die Heilige Stadt kam er an einem Feigenbaum vorbei, der grüne Blätter, aber keine Früchte trug.

Um seinen Jüngern zu zeigen, dass alles seinen Zweck erfüllen oder sich aus der manifestierten Form zurück ziehen muss, schlug er den Baum nieder, da er wohl erkannt hatte, dass er krank war. Er wollte ihnen damit zu verstehen geben, dass alle Dinge wachsen, sich verbessern und von sich selbst geben müssen. Ein statischer oder ungesunder Zustand hat keine Daseinsberechtigung.

 

Die Worte und Taten Jesu während jener letzten ereignisreichen Woche seines Lebens verdienen sorgfältige Betrachtung.

 

„Und alles, was ihr im Gebet gläubig erbittet, werdet ihr empfangen.“

(Matthäus 21,22)

 

Die Worte im Gebet sind in dieser Aussage von besonderer Bedeutung.

Es wird uns nicht zugesichert, was wir begehren, sondern nur, wessen wir bedürfen oder was die nach den geistigen Gesetzen gerechtfertigte Erfüllung eines Wunsches darstellte. Jesus schenkte jeder inständigen, vertrauensvoll vorgetragenen Bitte Gehör. In seinem Geist beantwortete er sie, und der Blinde konnte sehen oder das Kind erwachte zu neuem Leben. Denselben Gedanken äußerte Jesus, als er den beiden Männern zusicherte:

 

„Euch geschehe nach eurem Glauben.“

(Matthäus 9,29)

 

Auch in diesem Beispiel wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die höchsten inneren Kräfte anzustreben, in denen Gedankensamen ausreifen können.