ESSENER SCHRIFTEN

Texte der 7 gefundenen Schriftrollen von Qumran am Toten Meer

Angaben zur Geschichte des Fundes

Khirbet Qumran (arabisch ‏خربة قمران‎, DMG Ḫirbat Qumrān ‚die graue Ruine‘), meist nur Qumran oder Kumran genannt, heißt eine antike, in Ruinen erhaltene Siedlung auf einer flachen Mergelterrasse nahe dem Nordwestufer des Toten Meeres. Sie wurde 68 n. Chr. im Zuge des jüdischen Aufstands gegen die Römer (66–70) von deren Legio X Fretensis zerstört. Der Platz war seit etwa 800 v. Chr. zeitweise besiedelt.

 

Seit den Funden der Schriftrollen vom Toten Meer in elf Felshöhlen der näheren Umgebung (1947–1956) wurden die Ruinen von 1951 bis 1958 vollständig freigelegt. Dabei und danach wurden vor allem Münzen aus verschiedenen Epochen, Keramiken, verschiedene Werkzeuge und Alltagsgegenstände sowie überwiegend männliche, aber auch weibliche und kindliche Skelette gefunden. Seit den späten 1980er Jahren entwickelte sich Qumran zu einer vielbesuchten Touristenattraktion.

 

Ausgehend von den Schriftfunden in Höhle 1 (etwa 1,3 km nördlich von Qumran) begannen einige Archäologen um Roland de Vaux im Dezember 1951, im Ruinenhügel stichprobenartig zu graben. 1952 organisierte de Vaux im Auftrag der Antiquitätenbehörde Jordaniens ein Grabungsteam, das die Ruinen in fünf Phasen bis 1958 vollständig ausgrub.

 

De Vaux gab die Funde nur in Auswahl bekannt, sie lagerten bis 1994 ungeordnet in Paris. Er starb 1971 und hinterließ nur ein Tagebuch mit unsystematischen Eintragungen, keinen Grabungsbericht. 1996 und 2003 erschienen zwei Ausgaben des Grabungstagebuchs mit Fotografien von Ostraka, Graffiti, Knochen und Schmuck sowie Daten zu den Grabfeldern.

 

1965 bis 1967 legte Solomon H. Steckoll zwölf Gräber auf dem Hauptfriedhof frei. 1967 führte ein Team unter R.W. Dajjani zwei kleinere Ausgrabungen in Qumran durch. Von 1993 bis 2004 führten Yitzhak Magen und Yuval Peleg neue Grabungen in Qumran durch. Sie fanden ein breites Spektrum von Gegenständen, darunter Importkeramik, nabatäische Gebrauchskeramik, Glas, Reste von Metallbearbeitung und Hinweise auf Keramikherstellung. Bei geophysikalischen Untersuchungen des Untergrunds stieß James Strange 1996 auf ein Ostrakon mit einer hebräischen Inschrift, die er als Yakhad las.

 

1997 bis 1999 ließ die israelische Naturschutzbehörde die Ruinen restaurieren. Dabei wurden Wasserkanäle, Zisternen und Mikwen vermessen und die Gräber gezählt. Kurze Grabungen Yizhar Hirschfelds 2001 konzentrierten sich auf ein Gebäude aus der Römerzeit und einen kleinen, erst 1999 entdeckten Turm aus der späten Eisenzeit. 2001 kartografierten Magen Broshi und Hanan Eshel den Friedhof. 2002 gruben sie ein kleines Gebäude am Ostende des Friedhofs aus, in dem man ein männliches und zwei weibliche Skelette fand. Bei weiteren Grabungen in kleinen Arealen des Mergelfeldes fand Randall Price 2002 Kochtöpfe mit Tierknochen und Reste von Getreidesilos.

 

Die Siedlung liegt auf einem natürlichen Mergelplateau etwa 325 m unter dem Meeresspiegel, 97 m über dem Toten Meer. Im Westen etwa 200 m, im Süden 50 m entfernt liegen Anstiege des Judäischen Gebirges, im Südosten und Osten fällt die Ebene steil in das Wadi Qumran ab. An dieser Stelle trafen sich zwischen 539 v. und 70 n. Chr. drei Straßen: von Jerusalem im Westen (25 km entfernt), von Jericho im Norden (15 km entfernt) und von En Gedi im Süden (32 km entfernt) her. Bei sehr klarem Wetter sind im Norden die Oase von Jericho und die Jordan-Mündung in das Tote Meer, fern im Osten die Bergkette von Moab und im Süden die 3 km entfernte Oase von Ain-Feshkha samt ihren Zufahrtswegen zu sehen. Diese wurde ebenfalls erst ab 1956 ausgegraben. Qumran bildete also in der Antike einen Verkehrsknoten-punkt, strategisch hervorragenden Überblickspunkt und war wirtschaftlich mit benachbarten Oasen verbunden.

 

Der Leiter des ersten Grabungsteams, Roland de Vaux, stellte ab 1952 die Hypothese auf, es handele sich bei der Siedlung um eine Art Kloster einer religiösen Sekte, die sich vom übrigen Judentum abgegrenzt und in die unbewohnte Wüste zurückgezogen habe, um dort das Endgericht Gottes zu erwarten. Er identifizierte sie mit den Essenern, einer von antiken jüdischen Historikern wie Flavius Josephus erwähnten jüdischen Gruppe, die bis 70 existiert haben soll. Diese hätten die Schriften gesammelt, besessen, zum Teil produziert und in den Höhlen deponiert, um sie vor den angreifenden Römern zu schützen. Ihr Glaube habe sich in einigen der Schriften niedergeschlagen.

 

Ausgangspunkt für diese Theorie waren die in Höhle 1 gefundenen Schriften, von denen eine (1QS) als „Sektenregel“ gedeutet wurde. Sie enthält Angaben über eine gemeinsame Kasse, gemeinsame Mahlzeiten, eine Probezeit für neue Mitglieder und die Möglichkeit, sie auszuschließen. Dies schien einige Merkmale der Essener, die antike Autoren nannten, zu bestätigen. In Höhle 1 wurde zudem die Damaskusschrift (CD) entdeckt: Deren Text war schon aus jüngeren Handschriften unter den ausran-gierten Rollen einer Geniza in Kairo bekannt und wurde bereits essenischen Kreisen zugeordnet. Diese Annahme schien nun plausibel und bestimmte die Deutung der übrigen Schriften und archäologischen Befunde.

 

Das System von Wasserleitungen und Becken deutete de Vaux als Mittel für intensive rituelle Waschungen und Tauchbäder vor dem Betreten des Hauptversammlungs-raums. Die Räume deutete er als Gemeinschaftsräume, denen er Namen aus der europäischen Klosterkultur (Skriptorium, Refektorium) beilegte. Die israelische Altertümerverwaltung machte sich sein Erklärungsmodell zu eigen, was sich auch in der touristischen Erschließung der Ausgrabungsstätte spiegelt.

 

De Vaux ordnete die Funde in seine Grabungstagebücher nicht genau ein und ließ einige unberücksichtigt, vor allem Frauengräber und Spuren eines gehobenen Lebensstandards.

 

Diese These ist unter Wissenschaftlern umstritten.