Die Propheten - Prophetie

Das Prophetenamt im alten Israel

Pinchas Lapide - "Ist die Bibel richtig übersetzt?"

"Der Prophet" kommt über einhundertvierzigmal in den verschiedenen Verdeutschungen der hebräischen Bibel und rund einhundertdreißigmal im Neuen Testament vor; in der Ersteren meist im Zusammenhang mit dem Gotteswort, das an ihn ergeht; im Letzteren meist als Gewährsmann für so genannte "Beweiszitate", die die Erfüllung aller Verheißungen durch Jesus bezeugen sollen.

 

Doch woraus besteht denn das ursprüngliche Prophetenamt im alten Israel?

Was gehörte dazu - und was nicht?

 

Die Bibel schildert eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die als prophetisch gelten.

So z.B. war Iddo der Hofhistoriker von König Salomo.

Die Propheten Gad, Nathan und Ahoach taten desgleichen, wie es auch von einem ihrer Kollegen heißt: "Die Geschichte des Königs Rehabeam aber steht geschrieben in der Chronik des Propheten Schemaja" (2 Chr. 12,15).

 

Musizieren war eine zweite Funktion dieser Künder, die, wie viele heutige Pastoren, alle verfügbaren Medien in den Dienst ihrer Predigt stellten.

So lesen wir im ersten Buch der Chronik (25,1): "Und David sonderte aus zum Gottesdienst die Söhne Asafs, Hemans und Jedutuns, - Prophetenmänner, die auf Harfen, Psaltern und Zimbeln spielen sollten."

 

Als Fürsprecher traten sie bereits zu Abrahams Zeiten auf, von dem Gott zu König Abimelech im Traum verkündet:

"Nun aber gib die Frau des Mannes zurück, denn er ist ein Prophet, und er wird für dich beten, so das du am Leben bleibst" (Gen. 20,7).

 

Von Mose, der als größter der "Propheten" gilt, heißt es, dass es seine Fürbitte nach der Sünde des Goldenen Kalbes war, die das göttliche Strafgericht vom Volke abwendete (Ex. 32,11ff; Num. 14,13-19).

Ja, er betet mit Erfolg nicht nur für Mirjam (Num. 12,13) und für Aron, den Hohepriester (Dtn. 9,20), sondern nicht weniger als achtmal für den Pharao und die mit Plagen geschlagenen Ägypter, was wohl als erstes Vorbild praktizierter Feindesliebe gelten darf.

 

Die Heilung von Kranken gehörte des Öfteren zur prophetischen Sendung wie etwa bei Elischa, der den aramäischen Feldherrn Naaman vom Aussatz heilt (2 Kön. 5,8-16) und Elija, der den toten Sohn der Witwe von Sarepta wiederzubeleben vermag (1 Kön. 17,17-24).

 

Etliche der "Propheten" missionieren auch mit vollem Einsatz wie etwa Jeremia (10,1ff), der schon ein halbes Jahrtausend vor Paulus seine Sendboten in die Heidenwelt hinausschickt.

 

Und da Gott und Mensch im Weltbild des Judentums Partner am fortschreitenden Heilswerk der Weltverbesserung sind, darf auch das Geschöpf seinem Schöpfer widersprechen, Vorwürfe äußern, Protest erheben - bis an den Rand der Rebellion.

 

So hadert Abraham mit Gott um Sodom und Gomorra (Gen. 18,23ff); sein Enkel Jakob ringt mit dem Engel des Herrn die ganze Nacht hindurch (Gen. 32,23ff), und die "Propheten" bezeugen ihre Streitbarkeit ohne Verzug: "Herr, ich muss mit dir rechten!" So hadert Jeremia mit seinem Gott: "Warum geht's doch den Gottlosen so gut, und die Abtrünnigen haben alles in Fülle?" (Jer. 12,1-2).

 

"Herr, wie lange soll ich noch schreien - und du willst nicht hören? (...) Wie lange soll ich zu dir rufen: Frevel! Und du willst nicht helfen?" So lautet die Anklage des Habakuk (Hab. 1,1-3).

 

In derselben Tonart äußert sich auch Ijob, der zwar als Heide gilt, aber zu den großen "Propheten" zählt. Mit Nachdruck pocht er auf sein gutes Recht - auch wenn seine Worte an Blasphemie zu grenzen scheinen: "So wahr Gott lebt, der mir mein Recht verweigert (...) an meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht" (Ijob. 27,2-6).