Menschen die anders leben

Fortsetzung 2

Wenn ihr nur leben könntet vom Duft der Erde und gleich einer Blume der Luft getragen sein vom Licht. Niemand kann euch enthüllen, was nicht im Dämmerlicht eures Wissens schon schlummert. Der Lehrer, welcher inmitten seiner Schüler im Schatten des Tempels wandelt, gibt nicht von seiner Weisheit, sondern er gibt von seinem Vertrauen und seiner Liebe. Wenn er wahrhaft weise ist, heißt er euch nicht, das Haus seiner Weisheit zu betreten, sondern er führt euch an die Schwelle eures eigenen Geistes.

 

Denn die Vision des einen, leiht ihre Flügel dem anderen nicht.

Und genau so, wie jeder von euch vor Gottes Wissen allein dasteht, so ist jeder von euch allein mit seinem Wissen von Gott und seinem Verständnis der Erde.

 

Die Stille des Alleinseins lässt uns das nackte Selbst erkennen. Doch das Zeitlose in uns weiß von der Zeitlosigkeit des Lebens, und es weiß, dass jedes Gestern nur die Erinnerung und jedes Morgen nur der Traum des Heutigen ist. Und dass, was in uns singt und betrachtet, noch immer in den Grenzen jenes ersten Augenblicks lebt, welcher die Sterne im Kosmos verteilte.

 

Wer von euch fühlt nicht, dass seine Kraft zu lieben grenzenlos ist?

 

Und dennoch:

 

Wer fühlt nicht, dass eben diese Liebe, wenn auch grenzenlos, verschlossen liegt im innersten Kern des eigenen Seins und weder von Liebesgedanke zu Liebesgedanke noch von Liebestat zu Liebestat fortschreitet? Und ist nicht die Zeit wie die Liebe, ungeteilt und Schrittelos?

 

Es gibt jene, die haben wenig und geben alles. Sie glauben an das Leben und an die Fülle des Lebens und ihre Truhe ist niemals leer. Es gibt solche, die mit Freude geben, und diese Freude ist ihr Lohn. Und es gibt solche, die unter Schmerzen geben, und dieser Schmerz ist ihre Taufe. Und es gibt solche, die geben und den Schmerz beim Geben nicht kennen. Sie streben weder nach Freude, noch geben sie unter Bedacht auf ihre Tugend. Sie geben, wie in jenem Tal dort, die Myrte ihren Duft dem Kosmos entgegenhaucht.

 

Durch die Hände dieser Menschen spricht Gott und aus ihren Augen lächelt ER auf die Erde hinab.

 

Es ist gut zu geben, wenn man gefragt wird, doch besser noch ist es, ungefragt zu geben, aus Verstehen. Und für den, der mit offenen Händen gibt, ist die Suche nach einem, der empfängt, eine größere Freude als das Geben selbst. Erst im Teilen der Gaben der Erde jedoch werdet ihr Fülle und Zufriedenheit finden. Doch nur wenn das Teilen mit Liebe geschieht und mit gütiger Gerechtigkeit, wird es die einen nicht zur Gier und die anderen nicht zum Hunger führen. Denn der große Geist der Erde wird nicht eher friedlich ruhen im Wind, bis die Bedürfnisse auch des Geringsten von euch gestillt sind.

 

Wer kann seinen Glauben von seinen Handlungen trennen, wer seine Überzeugung von dem, was ihn beschäftigt? Wer kann seine Stunden vor sich ausbreiten und sagen: „Dies ist für Gott und dies für mich selbst; dies für meine Seele und dies für meinen Körper? All unsere Stunden sind Flügel, die sich von Selbst zu Selbst durch den Raum schwingen.Unser tägliches Leben ist unser Tempel und unsere Religion. Wann immer wir über seine Schwelle treten, nehmen wir alles mit, was wir haben.

 

Denn im Traum können wir uns weder über unsere Erfolge erheben, noch tiefer fallen als unsere Fehler. Und wir nehmen die anderen mit uns. Denn in der Verehrung können wir nicht höher fliegen als ihre Hoffnungen und uns nicht weiter erniedrigen als ihre Verzweiflung.

 

Und sollten wir Gott erkennen, meinen wir deshalb nicht, die Rätsel zu lösen. Eher schauen wir uns um und werden sehen, wie ER in der Wolke geht, wie er in Blitzen seine Arme ausstreckt und im Regen herabsteigt. Wir werden sehen, wie ER aus den Blumen hervorlächelt, aufsteigt und aus den Bäumen uns zuwinkt. Nur wenn ihr vom Fluss der Stille trinkt, werdet ihr tatsächlich singen. Und wenn ihr die Spitze des Berges erreicht habt, dann erst werdet ihr anfangen zu klettern.