christliche Orden und Kongregationen

Es ist erstaunlich, wieviel oder besser wie wenig Menschen über andere Menschen wissen. In unserer schnellebigen und anonymen modernen Gesellschaft trifft das mehr denn je zu. Um so mehr, wenn sich das Leben in einer gewissen Abgeschiedenheit vollzieht oder die Tätigkeit sich in der Öffentlichkeit nicht präsentiert. Menschen, die sich eine Lebensform gewählt haben, die sich von der Allgemeinheit wesentlich unterscheidet, treten selten in den Vordergrund.

Deshalb soll hier ihre Lebensweise kurz umrissen werden.

Orden und Klöster sind für viele immer noch eine fremde Welt jenseits des alltäglichen Erfahrungshorizonts. Man denkt an Entsagung und Verzicht, strenge Disziplin und ein eher weltabgewandtes als lebensbejahendes Dasein ständigen Betens hinter hohen Klostermauern. Ordensleben ist anders, ist engagiertes Christsein in Gemeinschaft, ist konsequente "Nachfolge Christi" in immer neuem Gewand. Ordensleben ist vielfältig und vielseitig, ist zeitlos und doch immer modern, es kommt aus einer oft langen geistlichen Tradition und sucht immer neue Bezüge zur Gegenwart.

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Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit des Ordenslebens hat ihren Ursprung in der Art, wie Jesus Christus sein Leben und seine Sendung gestaltet hat. Sein einfacher und bedürfnisloser Lebensstil, die Lebensgemeinschaft mit seinen engsten Freunden, die zur Schicksalsgemeinschaft wird, seine Hinwendung zu armen und geschundenen Menschen, sein Eintreten für die an den Rand der Gesellschaft Gedrängten, seine Hilfe für Kranke und Leidende, sein ermutigendes Wort für Verzweifelte und Suchende, seine frohmachende Botschaft von Gottes Sorge um jeden einzelnen, sein rastloses Umherziehen zur Verkündigung des Evangeliums, seine stellvertretende Hingabe im Kreuzestod, seine bleibende Gegenwart als auferstandener Herr.

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All das begeisterte charismatische Menschen, die zusammen mit Gleichgesinnten solche Aspekte des Lebens und der Sendung Jesu zum Mittelpunkt ihres eigenen Lebens und ihrer gemeinsamen Sendung machten. Damit antworteten sie auf Nöte ihrer Zeit, auf Bedürfnisse der Kirche und auf Entwicklungen in Gesellschaft und Staat.

 

Oft ist Ordensleben auch Kontrapunkt und kritische Existenz, wird oft auch zum Kampf für Entrechtete, Protest gegen Unmenschlichkeit, Widerstand gegen Ausbeutung von Mensch und Natur. Ordensleben hat aber immer auch Zeichencharakter und weist über sich selbst hinaus:

 

Ordensleute wollen mit ihrer Lebensform eine lebendige Erinnerung daran sein, dass das Leben mehr ist als Essen und Trinken, als Raffen und Schaffen, als die knappe Zeitspanne zwischen Geborenwerden und Sterben. Ordensleute stehen dafür, dass es wichtiger ist zu sein als etwas oder vieles zu haben, dass das Leben auch über den irdischen Tod hinausragt, dass das Loslassen des eigenen Ich nicht Verlust bedeutet, sondern aus der Isolation zur Gemeinschaftserfahrung führt.

Interview mit Abt Benedikt - Die Zeiten der Stille

Auszüge

Wie wichtig ist die Einsamkeit für Sie?

 

Benedikt:

"Die Einsamkeit ist wichtig für unser Leben mit Gott, dass die Gottesbeziehung nicht von Getriebe Alltag überdeckt wird. Es soll ein Raum für die Zuwendung Gottes entstehen. Dass wir ihn wahrnehmen können, wie er auf uns zukommt. Man kann ohne Stille und Zurückgezogenheit keine wahre Gottesbeziehung haben. Hier im Kloster ist das natürlich der Schwerpunkt, aber das gilt auch für jedes christliche Leben. Man kann nicht beten, ohne ein Minimum an Stille, in der ich mich ganz bewusst Gott zuwenden darf." 

 

Stille ist nun für den modernen Menschen ein ziemliches Luxusgut.

 

Benedikt:

"Ja, aber auch ein gestresster Familienvater beispielsweise hat Wartezeiten. An der roten Ampel! Diese Wartezeiten können genutzt werden, um Kontakt zu Gott aufzunehmen. Ich denke, dass wir Menschen so kompliziert geworden sind, dass wir mit dem Einfachen nicht mehr zurechtkommen. Aber eigentlich ist das menschliche Leben sehr einfach und auch das geistliche Leben mit Gott. Auch das Evangelium ist sehr einfach. Wir dürfen es nur nicht kompliziert machen."

 

Wie können Sie als Abt die Waage mit Kommerziellem auf der einen Seite und Gebet auf der anderen Seitein der Balance halten?

 

Benedikt:

"Das Kloster braucht Wirtschaft, um existieren zu können, das geht nicht anders. Man kann die Geistigkeit nicht in der Luft hängen lassen. Gleichzeitig muss aber klar sein, dass das primäre Anliegen ein geistliches ist. Der heilige Benedikt sagt: >>Alles geschehe, damit Gott verherrlicht werde.<<

Und das ist der wichtigste Aspekt, um den es geht. Wir leben hier an diesem Ort, weil Gott uns hierhin berufen hat - so sagen wir in unserer Sprache - und weil wir Gott hier dienen wollen. Da muss man zuerst ansetzen. Alles andere, das Wirtschaftliche, muss dahin zurückgeführt werden und muss der Anbetung dienen. Es kann uns nie darum gehen, Reichtümer anzuhäufen, dann müsste ich als Abt sagen: Darauf liegt kein Sehen."

 

Manche Menschen suchen eine Auszeit und kommen für ein Wochenende zu ihnen ins Kloster. Bringt das wirklich etwas oder ist das eher eine Alibiveranstaltung?

 

Benedikt:

"Manche Menschen kommen wirklich nur aus der Motivation zu uns, das auch einmal ausprobieren zu wollen. Es ist ja inzwischen richtig chic geworden, sich mal in ein Kloster zurückzuziehen. Aber im Gespräch zeigt sich: Es bleibt immer etwas hängen, ein Funke springt über. Und die Menschen sagen, dass es ihnen etwas gebracht hat. (lächelt)  Ja, unser Klosterleben ist einfach anders, und das macht durchaus nachdenklich. Und es spricht viele Menschen an!"

 

Also ist das Klosterleben gar nicht veraltet?

 

Benedikt:

"Nein, es ist wie gesagt fremd und anders. Aber wenn man sich darauf einlässt, entdeckt man: Das eigene Innenleben wird angesprochen, die eigenen Bedürfnisse kommen zum Tragen. Man spürt: Eigentlich wäre es schon gut, eine Beziehung zu Gott zu haben. In Ruhe nachzudenken. Auch einmal in die Tiefe zu gehen und an das Wesentliche zu kommen, nicht immer nur an der Oberfläche zu kratzen."

 

Sie feiern jetzt gerade die Laacher Festwoche. Wie wichtig ist das Feiern für Sie?

 

Benedikt:

"Sehr wichtig. Im Kloster ist die Zeit durch das Feiern des Kirchenjahres strukturiert, das fängt im Advent an. Das menschliche Leben braucht die Feier, und die Feier hat ja eigentlich ihren Ursprung in der Gottesbeziehung, im Feiern Gottes. Man feiert den Schöpfer."

 

Gibt es einen weltlichen Brauch des Feierns, den wir als Gäste nicht erleben?

 

Benedikt:

"Wir feiern gern mit einem Rekreationsessen, einem Erholungsessen. Für gewögnlich nehmen wir unsere Mahlzeiten schweigend ein, mit Tischlesung. Und beim Rekreationsessen sitzen wir bei schönem Wetter draußen im Garten, haben einen einfachen Imbiss, unterhalten uns und singen Lieder. Das ist wunderschön, und es verbindet uns auch wieder ganz besonders untereinander."

- Michael Defrancesco -

Abt Benedikt

Kurzbiografie

Als Benedikt Müntnich wurde 1952 in Treis-Karden an der Mosel geboren. 1974 trat er in die Benediktinerabtei Maria Laach ein, legte 1976 die Profess ab und studierte in Trier und Salzburg Philosophie und Theologie. 1981 wurde er zum Priester geweiht. Zwischen 1982 und 2002 war er für die Ausbildung der jungen Mönche zuständig. 2002 wurde er zum Abt Maria Laachs gewählt.