Die Liebe zwischen Mann und Frau I

Es gibt nichts, das einfacher scheint als die Liebe. Und doch gibt es auch nichts, das Schwerer ist als sie.

Wir lernen einen Menschen kennen - der Mann eine Frau, die Frau einen Mann - und sind fasziniert. Wir genießen das Zusammensein. Hängen an den Lippen des Anderen, um seine Worte aufzusaugen. Sehnen uns nach Berührung und Zärtlichkeit.

Und alles um uns wird unwichtig. Mit einer rosaroten Brille gehen wir durchs Leben. Fehler und Schwächen des Gegenüber entdecken wir nur selten und wenn, sind sie ohne Bedeutung für uns. Und es scheint, als hätte das Glück uns fest und dauerhaft umarmt. Glauben, dies wäre die Liebe und es würde immer so bleiben. Das Herz entscheidet und der Verstand bleibt oft außen vor.


Wir leben wie im Rausch.

Leben wir wie im Rausch?

Nein, wir leben im Rausch.


Es ist ein Trick der Natur, der uns den Blick auf Realitäten verstellt und uns alles geschönt erleben lässt. Damit wir die Chance haben, uns so fest zu binden und so kennenzulernen, das die Beziehung später, nach dem Rausch und der Ernüchterung, halten kann, wenn wir viel Zeit, guten Willen und viele Gespräche, gepaart mit aktivem Handeln, investieren und die Sehnsucht nach dem Berauscht sein überwinden.

 

Dieser rauschhafte Zustand hält in der Regel 1-4 Jahre an.

Dann kommt die Ernüchterung.

Der Alltag.


Der Blick unseres Geistes wird wieder klar und deutlich, über deutlich werden uns all die Schwächen, Fehler und großen und kleinen Macken des geliebten Menschen bewusst.


Wir fragen uns entsetzt, ob dies wirklich der Mensch ist, den wir liebten. Und wir glauben, die Liebe sei vergangen. Und sehnen uns zurück nach den großen Gefühlen. Und viele andere, denen wir begegnen erscheinen uns attraktiver, liebenswerter. Dabei ist das, was wir erlebten, gar nicht die Liebe, die gefunden zu haben, wir glaubten. Es war nur die Phase der Liebelei, des ersten Verliebt seins. Doch die Liebe, wahrhaftige Liebe haben wir noch nicht erlebt.

 

Nur wenn wir jetzt an dem am Anfang so angebeteten Menschen festhalten, lernen ihn/sie auszuhalten, anzunehmen und die Seiten zu entdecken, die nach wie vor liebenswert sind und der Sucht nach dem Rauschzustand der Liebelei widerstehen, öffnet sich die Tür zu jenem Zustand, der die eigentliche Liebe ist. Gegenseitige Achtung, Anerkennung, Respekt und das Wissen darum, das auch wir unsere Schattenseiten haben, helfen dabei. Sowie ein ehrlicher und offener Umgang miteinander. Vertrauen und Treue als wichtige Bausteine.


Wobei dies jedoch nie um der Selbstaufgabe willen geschehen darf. Nur wenn beide gleichviel investieren, erringen sie die Liebe. Es ist nie ein einseitiges Geschehen. Für die Beziehung sich einzusetzen und sie mit Leben zu füllen, beginnt jeden Tag neu.

Doch nur wenige kommen überhaupt so weit. Die meisten scheitern in der Phase der Ernüchterung. Und stürzen sich von Liebelei zu Liebelei, von Beziehung zu Beziehung, ohne jemals zu erfahren, was wirkliche Liebe ist.