Eins

"Die Kabbala als jüdisch-christlicher Einweihungsweg" von Heinrich Elijah Benedikt

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Die Eins ist die erste Zahl der Manifestation Gottes. Mit ihr tritt ER aus Seiner Verborgenheit hervor, und mit ihr beginnt die Schöpfung. Mit und aus der Eins gebiert sich die Welt.

 

 Zwischen Null und Eins liegt die Grenze der Offenbarung.

 

Durch ihre Mitte zwischen Transzendenz (eine Grenze [unserer Vorstellung] überschreiten) und Immanenz (Begriff in der Philosophie zur Bezeichnung, was jedem Wesen innewohnt) hindurch verläuft der Horizont der geschaffenen Welt, dessen Überschreiten Formen erschafft oder zerstört.

 

Mit dem ersten Wort, dem ersten Blick, dem ersten Schrei des Neugeborenen nimmt alles seinen Anfang. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Aus dem ersten Schöpfungswort entfaltet sich die ganze Welt.

 

Die Eins ist Ausdruck der Wahrheit, des Lebens und des Seins schlechthin. Wahrheit, Leben und Sein sind unteilbare Größen, und im Weltganzen sind sie gespiegelt.

 

Die Eins symbolisiert auch den Willen des Vaters.

 

Als Ursprung der Schöpfung symbolisiert die Eins den ersten Strahl des ungebrochenen weißen Lichtes, der aus dem Urgrund der Schöpfers hervorbricht und aus dessen Entfaltung die gesamte Schöpfung am Horizont der kosmischen Urnacht dämmert. Sie entspricht dem Logos, dem Urton, dem ersten Schöpfungswort, jenem Keim des Universums, aus dem sich der gigantische Akkord der Schöpfung einst entfaltet.

 

Aus der Eins gebären sich alle Zahlen , und in ihr sind sie beschlossen und umfaßt.

 

Aus der Eins heraus, aus der Einheit, entsteht alles, fließt alle Vielfalt des Lebens.

 

 

 

Im Tao Te King heist es:

 

 

 

Aus Tao entsteht Eins,

 

Eins erzeugt Zwei,

 

Zwei (Yin und Yang) erzeugt Drei,

 

und aus Drei entstehen die zehntausend Dinge.“

 

 

 

Die Eins symbolisiert den Anfang und das Ganze. Im Anfang ist bereits das Ganze enthalten. Wie im weißen Licht die ganze Fülle der Farben, so liegt auch im ersten Schöpfungswort Gottes bereits das ganze All begründet.

 

Die Eins ist der Keim und die Saat.

 

Wie im Keim, im Samen, den wir in die Erde legen, bereits der ganze Baum angelegt und enthalten ist, so ist die ganze Größe des wahren und vollendeten Menschseins in jedem Funken individuellen Bewusstseins begründet. 

 

Die volle Gestalt muss sich jedoch erst entfalten.

 

Diesen Weg der Entfaltung lehrt uns die Reihe der Zahlen.

 

Wie beim Baum, so ist es auch in unserem Leben als Mensch. Als Saatkorn sind wir ausgestreut. Darin eingegraben liegt, als Ebenbild Gottes, das Inbild unseres fertigen Seins. Diesem Leitbild, unserem inneren Christus folgend, kehren wir nach langem Weg als ganzer, im Gleichnis Gottes vollendeter Mensch zum Vater zurück.

 

Das sachgemäße und umfassende Bild der Eins ist der Kreis.

 

Sowohl Kreis als auch Kugel sind Bilder des Unendlichen im Raume.

 

Die Eins entspricht dem Urzustand des Menschen und der Menschheit.

 

Dieser Urzustand ist kein Zustand der Natur oder der Evolution der Arten, sondern ein reiner Zustand des Geistes und Ausdruck des Universums.

 

Der Mensch des Anfangs ist ein vollständiges Bild, die Frucht und Synthese des Himmels.

 

Ist er auch rein geschaffen, so ist er noch unvollendet, liegt das Bild der Vollendung noch keimhaft, unbewusst in ihm.

 

Noch ist der Mensch ohne Makel, ohne Dualität und ohne Tod.

 

Wie die Vollendung in uns angelegt ist und vom Geiste Gottes intendiert, so ist auch der Fall des Geistes möglich, aber nicht notwendig!

 

So steht der Mensch des Anfangs im Einklang mit Natur und Gemeinschaft, ist sich aber seines Ursprungs, Wesens und Auftrages noch nicht bewusst (der Narr im Tarot). Erst in der Begegnung mit den polaren Kräften der Schöpfung erwacht er zu seinem wahren Sein.

 

Doch in dieser Begegnung und Auseinandersetzung mit der Welt der polaren Erscheinungen fielen die meisten Menschen vorerst der Illusion der Welt anheim, die sie an sie bindet.

 

Hier beginnt bereits die Geschichte der Zwei.

 

Bezogen auf unser Menschsein erkennen wir die Eins als die Zahl des Unbewussten.

 

Sie umfasst alles, was unerweckt im Menschen – wie auch im Universum – schlummert.

 

Hierzu gehören all die unbewussten Regungen, Triebe und Impulse unserer niederen Natur, die verschiedenen Mechanismen und Automatismen unseres Denkens und Verhaltens sowie die verschiedenen unentfalteten Anlagen, Fähigkeiten, Qualitäten, Kräfte und Reichtümer unseres höheren Selbst. Wie im Universum so liegt auch im Unbewussten eines jeden Individuums eine Kraft, die danach drängt, all das in den Lebenskeimen verborgene, ungeoffenbarte Potential in der Natur wie im Menschen zu entfalten und ins Bewusstsein zu bringen. Es ist dies die Kraft der Evolution oder der Auferstehung, die im Grunde aller Schöpfung wirkt.

 

Tatsächlich gleicht das Leben eines Unerwachten einem Traum, dessen Episoden als Teil des großen Traumes im Bewusstsein Gottes, den wir unsere Welt nennen, aus den Tiefen des Weltengrundes hervorquellen und wie ein großes artistisches Blendwerk das wahre Sein verstellen. In diesem Licht ist die Bewusstseinsdämmerung, das Erwachen unseres Bewusstseins hin zum wahren Sein, der Beginn des geistigen Weges in der Seele des Menschen. Die Grundlage dieser Dämmerung unseres Bewusstseins ist die Wahrnehmung. Sie ist jenes Quantum Bewusstsein, in dessen Kraftfeld all die unbewussten, unser Leben und Handeln bestimmenden Faktoren, wie sie jeden Augenblick in unserem Wesen aufsteigen und in die jeweilige Lebenssituation hineinspielen, von seinem Licht beleuchtet, erkannt und bewusst gemacht werden.

 

Indem wir diese unter der Oberfläche unseres Bewusstseins wirkenden Impulse, Antriebe, Vorstellungen, Werte, Wünsche, Ängste und Bilder mehr und mehr erkennen und so allmählich an ihre wahren Wurzeln gelangen, entfächern sich in diesem Licht der Wahrnehmung auch die darin und darunter eingehüllte, schlummernde Individualität, ihre Sehnsüchte, Fähigkeiten, Qualitäten und Reichtümer, ihr Weg und ihre ewige Natur.

 

Im Wahrnehmen werden wir bewusst, und im Bewusstwerden dämmert unser wahres Sein. Dies vollzieht sich in der Zwei.

 

Fortsetzung - Zahl 2